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Kraft- und Symboltiere für die systemische Praxis

Holger Lindemann, Nikola Siller, Daniel Bauer (2022). Kraft- und Symboltiere für die systemische Praxis. Anleitungsbuch mit 114 Bildkarten für die Arbeit mit tierbezogenen Analogien. Buch und Kartenset. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 298 Seiten.

Wer hat noch nie Tiere in der Beratungspraxis genutzt? Die Arbeit mir Krafttieren oder Tierskulpturen ist sicherlich vielen geläufig. Dabei dienen Verhalten und Eigenschaften von Tieren zumeist als Metaphern für Persönlichkeitsanteile, innere Anteile, Talente oder Fähigkeiten. Das Buch von Holger Lindemann und Nikola Siller veranschaulicht, wie sich Kraft- und Symboltiere auch jenseits von spirituellen oder gar esoterischen Zugängen in der systemischen Praxis auf vielfältige Art und Weise einsetzen lassen. Konsequenterweise ist den Autor*innen bereits im ersten Kapitel der Hinweis wichtig, dass es auch in der Arbeit mit Kraft- und Symboltieren letztlich auf eine systemische Haltung ankommt. Danach geht es nicht um allgemeingültige Deutungen, sondern um Anregungen zur spielerischen Reflexion über Stärken, Schwächen, Kompetenzen oder Gewohnheiten, die für weitere Fragen nach Sinn und Bedeutung genutzt werden. Dort, wo es um Bedeutung geht, stehen die Deutungen und Assoziationen der Klient*innen im Vordergrund, denn allein mit ihnen wird weitergearbeitet. Um es mit den Autor*innen plakativ zu formulieren: in anderen Ansätzen werden einzelne Tiere den Elementen Erde, Wasser und Luft und Feuer zugeordnet, mit einer systemischen Haltung können alle Tiere prinzipielle Anteile von allen Elementen enthalten.

Kapitel 2 beschreibt einige Grundlagen der systemischen Arbeit mit Bild- und Tierkarten, die sich nicht von anderen Methoden und Interventionen unterscheiden, deren Auswahl sich an den Anliegen der Klient*innen orientiert. Insofern findet sich in diesem Abschnitt ein kurzer Abriss zum systemischen Arbeiten, bei dem es u. a. um die gemeinsame Arbeitsbeziehung, um Auftragsklärung und Prozessgestaltung geht. Besonderheiten von Bildkarten liegen darin, dass sie Komplexität statt Linearität veranschaulichen, Externalisierung ermöglichen, nicht-sprachliche Hirnareale ansprechen und Zufallselemente genutzt werden können. Besonders an der Arbeit mit Tierbildern ist, dass sie zu Analogien einladen, Emotionen wecken, konstruktive und destruktive Elemente beinhalten können. Als Grundmuster der Arbeit mit Bildkarten lassen sich folgende Arten identifizieren: Auswahl von Karten, Karten zufällig ziehen und Karten nach bestimmten Schemata auslegen. Dabei können scheinbar unpassende Karten utilisiert werden und möglich ist das Arbeiten mit Bildkarten auf dem Tisch und mit dem Raum.

Kapitel 3 illustriert unterschiedliche Auslegeschemata sowohl in der Arbeit mit einzelnen Karten als auch im Rahmen von strukturierten Schemata. Beispielsweise können einzelne Karten die Karte des Tages oder Ressourcenkarten repräsentieren. Andererseits können Bildkarten auch im Rahmen der Ambivalenzwippe, dem Tetralemma oder anderen Entscheidungsmethoden genutzt werden. Tierkarten können unterschiedliche Perspektiven repräsentieren: beispielsweise eine Ameisenperspektive, eine Adlerperspektive, die Perspektive eines Stiers auf dem Weg zum roten Tuch. Auch für die Problemaufstellung oder die SWOT-Analyse lassen sie sich nutzen. Gleiches gilt für die Reflexion von Paarbeziehungen (Ich, Du, unsere Beziehung, Wir) und die Arbeit mit inneren Anteilen, Rollen oder Unterstützer* innen in Triaden und Gruppen. Darüber hinaus können Tierkarten auch in der Arbeit mit Metaschemata eingesetzt werden, bei denen bestimmte Pole vorgegeben werden (z. B. gestern-heute-morgen oder Nähe-Distanz-Kontinuität-Wandel). Und schließlich lassen sie sich auch einsetzen, um damit zufällige Geschichten zu entwickeln. Viele der benannten Schemata veranschaulichen die Autor*innen durch entsprechende Beispiele.

In Kapitel 4 werden dann die einzelnen Tiere anhand von fünf Bereichen vorgestellt: Lebensraum und Ernährung, Körpermerkmale und Fähigkeiten, Soziales und Kommunikation, Geschichte, Medien und Sonderbares, Mythologie und Religion. Hier präsentieren die Autor*innen einen riesigen Fundus an Anregungen und interessanten Details. Neben in der Beratungsarbeit häufig genutzten Tieren wie Adler, Bär oder Löwe finden sich in der Sammlung auch selten genutzte Tiere wie Kakerlake, Nacktmull oder Zecke sowie Fabelwesen wie Drache, Einhorn und Phönix.

Die insgesamt 114 Tiere sind von Daniel Bauer auf eine liebevolle und sehr ansprechende Weise illustriert. Das Buch wird durch ein Kartenset der 114 vorgestellten Tiere ergänzt, das sich hervorragend im Beratungsalltag einsetzen lässt. Der Band von Holger Lindemann und Nikola Siller regt dazu an, neue Wege in der Arbeit mit Tier- und Bildkarten zu gehen und altbekannte Methoden auf eine ungewöhnliche und kreative Art und Weise zu nutzen. Die spannenden und zum Teil unbekannten Details zu den 114 vorgestellten Tieren unterstützen und inspirieren die kreative Arbeit mit den Bildkarten. Das Buch ergänzt meine Methodensammlung um eine neue und besondere Facette.

Andreas Klink (Essen)