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Resilient durch Krisen

Ariane Bentner, Jan P. Jung (2022). Resilient durch Krisen. Wie Führungskräfte und Teams schwierige Zeiten bewältigen. Heidelberg: Carl-Auer, 199 S.

Resilienz scheint mir eines jener Konzepte zu sein, die in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen haben und fast schon inflationär Verwendung finden. So finden sich Publikationen zur Resilienz in Bezug auf den Klimawandel, Krankenkassen zitieren die 10 Wege zur Resilienz der American Psychological Association, man spricht von resilienten Finanzmärkten oder Volkswirtschaften, erkundet Faktoren für resiliente Städte oder resiliente Gesellschaften. Allen Betrachtungen gemein ist ein festgestellter Zusammenhang zwischen krisenhaften Entwicklungen und Verhaltensweisen oder Strukturen, die dazu beitragen, diese Krisen zu bewältigen und sie zudem noch als Anlass für Entwicklung zu nutzen. Das Buch von Ariane Bentner und Jan P. Jung beschäftigt sich mit dem Thema Resilienz in Organisationen und Teams. Auch das ist nicht neu, denn auch für dieses Praxisfeld findet das Konzept der Resilienz bereits vielfältige Anwendung. Und gleichzeitig ist etwas neu und anders an der Art und Weise, wie beide Autor*innen sich dem Thema Resilienz nähern. Das mag zum einen damit zu tun haben, dass sie ihr Buch in Coronazeiten geschrieben haben, in denen es für viele Organisationen und Teams von existenzieller Bedeutung war, diese Krise zu bewältigen und sich anders aufzustellen als zuvor. Zum anderen besteht der besondere Gewinn des Buches von Ariane Bentner und Jan Jung darin, dass sie das Thema Resilienz in unterschiedlichen theoretischen Perspektiven (Krisen, Konflikttheorien, Bindungsforschung, Systemtheorien) verankern und sowohl aus individueller als auch aus organisationaler Perspektive betrachten.

Die Autor*innen starten in Kapitel 1 mit einer Begriffsbestimmung zu Krisen und ihren Konsequenzen im Erleben, Fühlen und Handeln. Hier wird u. a. Bezug genommen auf das Stressmodell von Lazarus und die Landkarte der Befürchtungen als hilfreiches Rahmen- und Interventionsinstrument. Kapitel 2 vertieft den Blick auf Krisen zum einen durch die Formulierung von Grundannahmen einer systemisch-konstruktivistischen Konflikttheorie, in der u. a. auch auf die positive Funktion von Teamkonflikten für eine Organisation und auf Interventionen im Umgang mit Konflikten eingegangen wird. Hier findet sich darüber hinaus ein besonderer Blick auf Non-Profit-Organisationen, die von den Autor*innen als eher konfliktvermeidend wahrgenommen werden, was nach ihrer Auffassung durch deren Charakteristika (u. a. einer schwachen Differenzierung zwischen Person und Funktion) begünstigt wird. Abschließend werden einige systemische Konfliktinterventionen beschrieben. Das dritte Kapitel widmet sich der personalen Resilienz als menschlicher Kernkompetenz und startet mit einem kurzen Überblick über die unterschiedlichen Phasen der Resilienzforschung. Zudem werden vier unterschiedliche Verläufe in Reaktionen auf Krisen beschrieben (unbeschadetes Überstehen, Erholung im normalen Verlauf, verzögerte Erholung, posttraumatisches Wachstum), die sich allesamt als Formen von Resilienz verstehen lassen. Weiterhin werden Risiko- und Schutzfaktoren für die Entwicklung personaler Resilienz beschrieben, die Bedeutung von Bindungserfahrungen für die Resilienzentwicklung herausgestellt sowie eine reichhaltige Auswahl an resilienzfördernden Methoden vorgestellt, die sich sowohl in der Arbeit mit Einzelnen als auch in Teams nutzen lassen. Kapitel 4 beschäftigt sich mit Kennzeichen und Rahmenbedingungen resilienter Organisationen und Teams. Hier nehmen die Autor*innen u. a. Bezug auf unterschiedliche Rationalitätsniveaus von Organisationen und benennen insbesondere fünf wesentliche Merkmale von resilienten Organisationen. Sie gehen auf die bestehende ISO-Norm 22316 zur organisationalen Resilienz ein und beziehen Erkenntnisse aus anderen Forschungsfeldern mit in ihre Betrachtungen ein (u. a. Salutogenese, positive Psychologie). Als sehr verkürztes Fazit mit Blick auf resiliente Organisationen und Teams lässt sich festhalten, dass die Förderung der Gesundheit der Mitarbeitenden, eine Kultur der Fehlerfreundlichkeit und Flexibilität sowie eine Orientierung an Kompetenzen gegenüber Hierarchien und an den Bedürfnissen der Kund*innen wesentlich zu einer gesteigerten Resilienz beitragen.

Im fünften Kapitel beschreiben Ariane Bentner und Jan Jung Chancen und Risiken einer zunehmenden Beschleunigung sozialer und technischer Prozesse, die mit zunehmender Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität einhergeht. Hier verweisen die Autor*innen zum einen auf mögliche Ansatzpunkte von Organisationen, um im Umgang mit Konflikten und in der allgemeinen alltäglichen Arbeit handlungsfähig zu bleiben. Dabei gehen sie auf Aspekte wie Selbstführung, Entscheidungsfindung, psychologische Sicherheit am Arbeitsplatz, Umgang mit komplexen Anforderungen oder organisationale Beidhändigkeit (Ambidextrie) ein. Zum Abschluss des fünften Kapitels werden einige agile und lösungsfokussierte Methoden und Strategien für Teams und Organisationen vorgestellt. Insgesamt bietet das Buch von Ariane Bentner und Jan Jung eine Fülle von Anregungen theoretischer und praktischer Art, Teams und Organisationen in krisenhaften Entwicklungen zu begleiten und Krisen als Anlass für Entwicklung zu nutzen.

Andreas Klink (Essen)