Liebe Leser*innen der systhema,
diese Ausgabe der systhema widmet sich unterschiedlichen Themen und Kontexten. Gleich zu Beginn beschäftigt sich Sebastian Baumann mit dem Mehrpersonensetting als grundlegendes Setting und bedeutsamer Wirkfaktor für die Systemische Therapie. Er formuliert Hypothesen darüber, dass in therapeutischen Kontexten immer noch überwiegend in Einzelsettings gearbeitet wird. Anhand von Fallbeispielen beschreibt er gute Gründe für die häufigere Nutzung von Mehrpersonensettings. Er benennt hilfreiche Kompetenzen für die Arbeit in diesem Kontext und erläutert ein schrittweises Vorgehen, das beim Erlernen dieser Kompetenzen unterstützen kann.
Im Anschluss thematisiert Jens Förster das Konzept „systemische Haltung“ unter neuen Perspektiven. Zum einen beschreibt er mögliche ethische Implikationen und Tautologien, die sich aus einer Orientierung an einer systemischen Haltung ergeben, die zumeist als „gut“ und „richtig“ wahrgenommen wird. Zum anderen lädt er zu einem Gedankenexperiment ein: Was wäre, wenn systemische Haltungen aus der Perspektive von Klient*innen betrachtet werden und daraus ein Postulat von deren Ansprüchen oder Rechte an Beratung oder Therapie resultieren würde. Er formuliert 10 solcher Rechte und illustriert sie anhand von möglichen Rückmeldungen und Reflexionen von Klient*innen.
Heike Hör stellt den Familienrat als ein aktivierendes und ressourcenorientiertes Verfahren der Jugendhilfe vor. Dies geschieht sowohl aus der Perspektive des Kinderschutzes als auch unter jener der Sozialraumorientierung. Anhand eines Fallbeispiels werden die wesentlichen Schritte des Verfahrens beschrieben. Abschließend gibt die Autorin einige Tipps, wie Fachkräfte dazu beitragen können, dass ein Familienrat scheitert.
Ute Symanski befasst sich mit der Wertschätzung als eine jener bedeutsamen Ingredienzien, die den Zauber gelungener Beratungsprozesse ausmachen. Sie betrachtet Wertschätzung aus unterschiedlichen Perspektiven: als Haltung in der Beratung, als Methode in der personenzentrierten Beratung und als Instrument für die Klient*innen. Dabei fokussiert sie jeweils den Nutzen von Wertschätzung und wertschätzender Kommunikation in Beratungsprozessen.
Der Beitrag von Christian Philipp Nixdorf widmet sich Beratungssituationen, in denen Klient* innen nicht freiwillig anwesend sind – sogenannte Zwangskontexte. Er vertritt die Haltung, dass Beratungen in solchen Kontexten herausfordernd sind und es gleichzeitig nicht unmöglich ist, Zwang konstruktiv zu nutzen. Anhand von Beratungssituationen im Jobcenter benennt er insgesamt 11 Aspekte, deren Berücksichtigung aus seiner Sicht dazu beitragen kann, dass Beratung unter Zwang gelingt.
Kathrin Kuhrke veranschaulicht und reflektiert einige Facetten ihrer systemischen Prozesssteuerung. Dazu geht sie zunächst auf einige systemische Grundlagen und Konzepte ein. Im Anschluss daran beschreibt sie Perspektiven der Prozesssteuerung bei der Auftragsklärung, bei der Auswahl von Methoden, bei der Gestaltung der therapeutischen Beziehung, bei der Erkundung von Primär- und Sekundärgefühlen und beim Umgang mit Themen, die scheinbar auf der Hand liegen und nicht benannt werden.
Auch in dieser Ausgabe gibt es anlässlich des 50. Geburtstags des IF Weinheim im kommenden Jahr einen Blick in den Rückspiegel. Dieses Mal habe ich mich für einen Beitrag unseres verstorbenen Kollegen Hans Schindler entschieden, der vor knapp 30 Jahren in der systhema erschienen ist. Der Beitrag beschreibt die Methode der Zeitlinie (Timeline) als eine Möglichkeit, eine höhere Erlebnisintensität zu schaffen und Klient*innen selbst in die Konstruktion von Umdeutungs- und Lösungsmöglichkeiten einzubeziehen. Er geht auf mögliche Einsatzfelder ein und illustriert die Arbeit an unterschiedlichen Punkten auf der Zeitlinie (Gegenwart, Vergangenheit, Zukunft) anhand von Beispielen aus der eigenen Praxis. Die Methode der Zeitlinie wird aktuell in den Supervisionen und Seminaren am IF Weinheim wieder häufiger genutzt. Der Text von Hans Schindler erscheint mir hier wunderbar zeitlos. Wer den Charme der ursprünglichen Version nicht missen möchte, findet eine Kopie des Originals bei Tom Levold im systemagazin: https://systemagazin.com/die-zeitlinie-eine-moeglichkeit-zur-erlebnisintensiven-systemischen-therapie-mit-einzelklientinnen/.
Neben den genannten Beiträgen enthält diese systhema zudem einige Rezensionen und einen Bericht zum Maitreffen des Weinheimer Teams. Ich wünsche Ihnen und euch eine anregende Lektüre und uns allen einen schönen Sommer und vor allem friedlichere Zeiten!
Andreas Klink
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